Hamburger Bioabfall aus über 100.000 grünen Biotonnen wird ab sofort auch zur klimafreundlichen Energieerzeugung genutzt: Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz befüllte heute den letzten von insgesamt 21 Fermentern der neuen Biogasanlage auf dem Gelände des SRH-Kompostwerkes Bützberg in Tangstedt. Ab sofort erzeugt die neue Trockenfermentationsanlage der Stadtreinigung Hamburg stündlich bis zu 600 Kubikmeter Biogas, das in einer angeschlossenen Aufbereitungsanlage der Vattenfall Europe New Energy GmbH gereinigt und als Biomethan in Erdgasqualität in das Gasversorgungsnetz eingespeist wird.
Bürgermeister Olaf Scholz bezeichnete die neue Biogasanlage als wichtigen Beitrag einer klimagerechten Energieversorgung: „Angesichts des drohenden Klimawandels müssen wir Bioabfälle aus Küche und Garten als regenerative Energiequelle nutzen. Biogas ist eine regenerative Energie, die anders als Wind- und Solarenergie unabhängig vom Wetter, von Jahres- oder Tageszeit zur Verfügung steht und sich zudem gut speichern lässt. Und mit dem neuen Biogas- und Kompostwerk Bützberg wird deutlich, dass Biogas aus organischen Abfällen auch für eine Großstadt wie Hamburg eine umweltfreundliche Energiequelle mit Zukunft ist.“
Für SRH-Geschäftsführer Dr. Rüdiger Siechau hat die neue Biogasanlage zwei Vorteile: „Ab sofort fährt die Stadtreinigung Hamburg eine Doppelstrategie zur klima- und umweltgerechten Verwertung von organischen Abfällen aus Küche und Garten: Bioabfall aus inzwischen mehr als 100.000 grünen Biotonnen wird von der Stadtreinigung Hamburg jetzt doppelt genutzt – zur Biogaserzeugung und anschließend zur Herstellung von Kompost. Hamburger Haushalte können jetzt umwelt- und klimafreundliche Energie nutzen, die aus ihren Küchen- und Gartenabfällen erzeugt wird.“
„Das aufbereitete und eingespeiste Biomethan kann in Blockheizkraftwerken für die dezentrale Energieversorgung unserer Hamburger Wärmekunden eingesetzt werden“, beschreibt Dr. Frank May, Vorstand der Vattenfall Europe Wärme AG, die weitere Nutzung des erzeugten Biomethans:„So erzeugen wir neben der Heizwärme auch Strom. Mit dieser Form der klimaneutralen Energieerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung tragen wir dazu bei, dass Hamburg seine ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen kann. Mit der neuen Anlage erweitern wir unser Angebot der klimaschonenden Energieversorgung für unsere Hamburger Kunden.“
Die neue Biogasanlage der Stadtreinigung Hamburg verarbeitet jährlich bis zu 70.000 Tonnen organische Küchen- und Gartenabfälle zu rund 2,5 Millionen Kubikmeter reinem Biomethan und 35.000 Tonnen Qualitäts-Kompost. Das Biogas- und Kompostwerk Bützberg (BKW Bützberg) ist die zurzeit größte Anlage ihrer Art in Norddeutschland. Eine Besonderheit ist neben dem umfassenden Abluftmanage-ment zur Geruchsminimierung auch das Konzept zur Reduktion von unerwünschten Methanemissionen. Abluft aus den geleerten Fermentern, die noch Spuren an Biogas enthalten kann, wird in einen Ofen geführt, der mit am Standort gewonnenen Holz-Hackschnitzeln betrieben wird. Mit der Abwärme des Ofens werden die Fermenter auf die optimale Betriebstemperatur von 38 Grad Celsius erwärmt.
Vom Bioabfall zum Biogas
Die organischen Abfälle aus den über 100.000 grünen Biotonnen Hamburgs werden zunächst aus den Biomüll-Sammelfahrzeuge der SRH in einer geschlossenen Annahmehalle mit Entlüftungssystem entladen. Ein Radlader transportiert den Bioabfall anschließend auf ein Förderbandsystem. Raffinierte Sieb-Systeme befreien das organische Material von Fremdstoffen wie Plastikfolien oder Metallen. Gleichzeitig zerkleinert eine Schneckenmühle das Rohmaterial, bis die einzelnen Stücke kleiner als acht Zentimeter sind. Mit diesem aufbereiteten Material werden gasdichte Kammern, die sogenannten Fermenter der Biogasanlage, befüllt. Ein Fermenter ist rund 24 Meter lang, fünf Meter breit und 4,50 Meter hoch, sodass bis zu vier Müllfahrzeuge darin Platz finden würden. In insgesamt 21 Fermentern darf sich ein Milliardenheer von Methan produzierenden Bakterien drei Wochen lang über den Bioabfall hermachen. Bei 38 Grad und unter Luftabschluss arbeiten diese Mikroben am besten. Sauerstoff wäre für sie Gift.
Wie in einem Rindermagen das Grünzeug unter Gasbildung von Mikroben vorverdaut wird, erzeugen auch in den Fermentern ähnliche Mikroorganismen beim Abbau des organischen Abfalls unter Luftabschluss Methan, aus dem auch normales Erdgas überwiegend besteht. Die nach der Trockenfermentation übrig bleibenden Gärreste werden dann in der angeschlossenen Kompostierungsanlage weiter verwertet. Während Rindviecher das Biomethan einfach „fliegen lassen“, fängt die Biogasanlage das energiereiche Gas in drei Speichern auf.
Bis zu 600 Kubikmeter Biogas stündlich erzeugt die SRH-Anlage bei voller Auslas-tung. Das Biogas besteht etwa jeweils zur Hälfte aus Methan und Kohlenstoffdioxid und enthält in geringer Menge auch Stickstoff und gasförmige schwefelhaltige Ver-bindungen. Um Biomethan in Erdgasqualität zu erzeugen ist daher ein aufwendiger Reinigungsprozess erforderlich. Das in der Biogasanlage erzeugte Biogas wird in Vattenfalls Aufbereitungsanlage direkt neben der SRH-Bioagasanlage gereinigt, sodass stündlich bis zu 350 Kubikmeter Biomethan ins Erdgasnetz der Schleswig-Holstein Netz AG eingespeist werden können. Über dieses Gasnetz wird auch die Freie und Hansestadt Hamburg versorgt. Der Energiegehalt des im Biogas- und Kompostwerk Bützberg erzeugten Biomethans entspricht dem Strombedarf von rund 10.000 Zwei-Personen-Haushalten.
Bei der Verbrennung von Biogas wird nur die Menge an Kohlenstoffdioxid freigesetzt, die Pflanzen zuvor der Atmosphäre entzogen haben, um daraus die für das Pflanzenwachstum erforderliche organische Substanz aufzubauen. In den Fermentern der Biogasanlage wird dieser aus der Atmosphäre stammende Kohlenstoff unter anderem zu Methan abgebaut. Das biologisch erzeugte Biomethan belastet daher bei der Verbrennung, anders als fossiles Methan im normalen Erdgas, die Atmosphäre nicht mit zusätzlichen Mengen klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids.
Mit der Jahresproduktion der neuen SRH-Biogasanlage können rund 7.800 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) jährlich eingespart werden. Um diese Menge CO2 der Luft zu entziehen, müssten 4.000 Fichten 100 Jahre alt werden.